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Alisha

Mein Name ist Alisha, 18 Jahre alt, und ich komme aus Afghanistan. Ich sollte jemanden heiraten, den ich nicht liebte und ich entschied mich hierher zu kommen, mit dem, den ich liebe.

Alisha aus Afghanistan

Alisha ist in Afghanistan im Krieg geboren und aufgewachsen. Sie lebt in ständiger Angst vor Entführung und Mord. Als ihr Vater eine Ehe mit einem über 30 Jahre älteren Mann arrangiert, entscheidet sie sich zur Flucht. Schon lange leidet sie unter den eingeschränkten Rechten für Frauen in Afghanistan:

„Ich bin weder zur Schule gegangen, noch habe ich gearbeitet. Es war nicht einfach, raus zu kommen und daher schwierig, Freunde zu finden. Weil dort niemand ausgeht. Mädchen können nicht ausgehen. Sogar die Mütter können nicht ausgehen. Nur die Söhne und der Vater konnten ausgehen. Wir Frauen waren immer zuhause. Als dieser Mann zu meinem Vater kam, um um meine Hand anzuhalten, willigte mein Vater ein. Dieser Mann war fast 50. Und er war reich. Er kooperierte mit diesen Leuten, den Taliban. Aber ich war in einen anderen Mann verliebt, wir sahen uns oft. Als mein Vater mich daher wegen dem alten Mann fragte, sagte ich nein. Aber er sagte, es sei nicht wichtig, was ich denke.“

Gemeinsam mit ihrem damaligen Freund und jetzigen Ehemann sowie mit Hilfe ihrer Mutter, entscheidet sich das junge Paar zu fliehen. Damals war Alisha 15 Jahre alt, ihr Freund 18.

Die Flucht hat sie stark mitgenommen, eine traumatisierende Bootsüberfahrt von der Türkei nach Griechenland hätte sie beinahe nicht überlebt.

„Ich weiß es nicht genau, aber wir kamen durch den Iran, die Türkei, Istanbul, Griechenland, Österreich. Wir konnten nur mit einem Schlauchboot nach Griechenland. Wir waren 30 Personen. Mitten auf dem Meer ging der Motor kaputt. Das Meer war sehr unruhig und das Boot schnell voller Wasser. Ein Junge hat versucht, den Motor zu reparieren und letzten Endes hat es geklappt. Als wir ankamen, hielt ein Mann das Boot fest, damit wir aussteigen konnten. Ich war die letzte und es war stockdunkel. Ich stieg aus und eine Welle packte mich und riss mich weg, fast unbemerkt. Nur ein Mann, der neben dem Boot stand, drehte sich um, sah mich und sprang ins Wasser und rettete mich.“

Doch damit sind die Strapazen lange nicht vorbei. Alisha kommt vorübergehend ins Gefängnis, kann aber später mit ihrem jetzigen Mann nach Deutschland fliehen.

„Wir wussten nicht, wohin. Wir dachten, wir müssen weiter. Mein Mann kaufte mit der Hilfe einer anderen Person Zugtickets, und wir kamen hierher. Wir gingen hier zur Polizei und sagten, dass wir aus Griechenland kommen. Sie brachten mich irgendwohin, um mich zu verhören. Sie fragten uns aber nur, wo wir herkommen und wie wir hierhergekommen sind.“

Nicht nur die Fluchterlebnisse, auch die Bleibe-Situation hier lassen Alisha immer kränker werden. Sie entwickelt deutliche Symptome von Posttraumatischer Belastungsstörung und Depressionen, wie Niedergeschlagenheit, ein Gefühl der Hilflosigkeit, Appetitlosigkeit, Schlaflosigkeit. Die Krankheit wird nicht erkannt. Sie kann sich mit niemandem verständigen, da keine Dolmetschende oder psychosoziales Fachpersonal hinzugezogen werden.

„Ich weinte zwei Tage. Aber sie verstanden meine Sprache nicht. Es war ein sehr kleiner Raum, in dem ich untergebracht war. Du öffnest die Tür und da ist nur Platz für mich, für mein Bett gewesen. Ich dachte, ich käme nie mehr raus aus diesem Zimmer. Ich hatte das noch nie erlebt. Ich wusste nicht, wann Tag und wann Nacht war…“

Image by Anemone123 from Pixabay

Ein Bescheid über das Asylverfahren bleibt lange aus. Alisha und ihr Mann müssen täglich mit der Ungewissheit leben, doch wieder abgeschoben zu werden. Durch diese Perspektivlosigkeit, die Strapazen einer langen Flucht und die unbemerkten Hilferufe, spitzt sich die Situation immer weiter zu. Letztlich sieht Alisha keinen Ausweg mehr aus dem Leid.

„Ich sagte, dass ich es nicht mehr aushalte. Mir ging es sehr schlecht und ich ging jeden Tag nach unten zu den Ärzten und holte mir meine Medikamente ab. Dann eines Tages fühlte ich mich so verlassen, dass ich alle Pillen auf einmal nahm. Ich wollte dem Ganzen ein Ende machen… Sie haben mich zur Behandlung kurz ins Krankenhaus gebracht.“

Gesetzliche Bestimmungen im Asylbewerberleistungsgesetz verhindern eine umfassende Behandlung, so dass Alisha nach der dringendsten Grundversorgung sofort entlassen und wieder in die Unterkunft gebracht wird. Ein Psychologe, der in einem Psychosozialen Zentrum auf ihre Situation aufmerksam gemacht wird, bewirkt ihre Verlegung ins Krankenhaus.

„Ich wollte erst nicht gehen, weil ich mir auch Sorgen um meinen Mann machte, aber sie versprachen mir, sich auch um ihn zu kümmern. Aber er durfte mich nicht ins Krankenhaus begleiten. Am nächsten Tag am Abend schnitt sich mein Mann die Venen durch. Dann brachten sie ihn zu mir ins Krankenhaus.“

Nach dem Krankenhausaufenthalt und durch die Unterstützung des Psychologen werden Alisha und ihr Ehemann gemeinsam in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht und können seitdem psychotherapeutische Betreuung in einem Psychosozialen Zentrum in Anspruch nehmen.

„Es war nicht mehr viel von uns übrig.  Aber nach dieser Woche im Krankenhaus fühlte ich mich viel besser und ich spürte die Freiheit. Sie brachten uns ins Heim und die Leute vom Krankenhaus sagten, dass wir dort unter psychologischer Betreuung bleiben müssten. Dann wurden wir ins Psychosoziale Zentrum gebracht, da gibt es gute Psychologen. Sie gaben uns im Flüchtlingsheim ein gemeinsames Zimmer. Nach drei Monaten bekamen wir einen Brief vom Bundesamt, dass man uns nicht zurückschicken würde und unseren Fall hier prüfen würde. Wir waren glücklich.“

Alisha und ihr Ehemann haben eine Aufenthaltsgestattung für sechs Monate bekommen. Was danach mit ihnen geschehen wird, ist ungewiss.


Zur Situation afghanischer Geflüchteter

Obwohl das Auswärtige Amt zur Situation in Afghanistan bemerkt, „Bombenanschläge, bewaffnete Überfälle und Entführungen gehören seit Jahren in allen Teilen von Afghanistan zum Angriffsspektrum der regierungsfeindlichen Kräfte“, werden schutzsuchende Geflüchtete regelmäßig dorthin abgeschoben.

Laut einer repräsentativen Umfrage des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WidO) zeigten sich bei mehr als 40% aller Befragten dieser Studie Anzeichen einer depressiven Erkrankung. Die Befragung des Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) kommt zum Ergebnis, dass 59% der aus Afghanistan geflüchteten Menschen ein Risiko für eine Posttraumatische Belastungsstörung aufweisen.

Laut Versorgungsberichtes der BAfF kommen die meisten Klient*innen in den Psychosozialen Zentren aus Afghanistan (27%). Zusätzlich zu den traumatisierenden Kriegserlebnissen, belastet sie die Ungewissheit bedingt durch ihre aufenthaltsrechtliche Situation. Vor allem für afghanische Geflüchtete ist die Ablehnungsquote stark gestiegen: mehr als die Hälfte aller Schutzsuchenden aus Afghanistan wurde abgelehnt.

Die Psychosozialen Zentren sind häufig die einzigen Anlaufstellen, die Menschen wie Alisha auffangen können. Mit einer Spende hilfst du mit, diese Unterstützung auch zukünftig anbieten zu können!

 

 

 

 

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