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Unsere Kampagne

Der Zugang zu Gesundheitsversorgung für traumatisierte Geflüchtete ist nach wie vor von Schwierigkeiten geprägt. Die dringend benötigte psychosoziale Unterstützung für diese Gruppe wird durch bürokratische und finanzielle Missstände behindert. Der aktuelle Versorgungsbericht der BAfF dokumentiert dies eindrücklich. Eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Fakten zum Status Quo kannst du hier lesen. Ausführliche Informationen zu unserem Versorgungsbericht findest du auf unserer Webseite. Den Bericht kannst du dort auch als pdf herunterladen.

Die Zahlen aus dem unserem Versorgungsbericht zeigen, dass die Angebote der spezialisierten Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (PSZ) stärker nachgefragt werden denn je. Es konnten zwar über 21.000 Klient*innen versorgt werden – doppelt so viele wie noch 5 Jahre zuvor. Da sich die Anzahl der Geflüchteten in Deutschland jedoch im gleichen Zeitraum verdreifacht hat, kann der Bedarf an Psychotherapie und psychosozialer Unterstützung bei weitem nicht gedeckt werden. Es mussten über 7.000 Geflüchtete, die in einem PSZ um Unterstützung angefragt haben, abgewiesen werden, und die Wartezeit auf einen Psychotherapieplatz liegt im Durchschnitt bei 7,3 Monaten. Durch das neue „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ verschärft sich die Situation jetzt zusätzlich.

Recht auf Gesundheitsversorgung

Die gesundheitliche Versorgung eines jeden Menschen sollte jederzeit allumfassend und unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus geregelt sein. Das Recht auf Gesundheit gilt als Menschenrecht und ist somit auf europäischer und internationaler Ebene gesetzlich verankert. Deutschland hat sich diesbezüglich sowohl der UN-Resolution von 1948 als auch dem Europäischen Menschenrechtsabkommen von 1950 angeschlossen und verpflichtet sich damit zu deren Einhaltung.
Menschenrechte sind als natürliche Rechte definiert und gelten weltweit für alle Menschen. Auf Menschenrechte können sich hier in Deutschland also Aus- wie Inländer*innen gleichermaßen berufen. Für die gesundheitliche Versorgung bedeutet dies, dass allen Menschen, die sich hier aufhalten, rechtlich die gleiche Behandlung zustehen sollte. Und doch gibt es Unterschiede.
In der Praxis finden Geflüchtete in Deutschland nur eingeschränkt Zugang zum Gesundheitssystem, da sie auf rechtliche, bürokratische und sprachliche Barrieren stoßen. Das führt dazu, dass nur ein Bruchteil der traumatisierten Geflüchteten psychosoziale Beratung und Behandlung in Anspruch nehmen kann und dass Geflüchtete im Krankheitsfall häufig keine ausreichende medizinische Hilfe bekommen. Folgerichtig belegt Deutschland zum Thema Gesundheit beim Migrant Integration Policy Index (MIPEX) auch nur den 22. Platz.

Einschränkungen der Krankenversicherung für Geflüchtete

Wer in Deutschland Asyl sucht, ist zunächst nicht krankenversichert. Es können zwar laut Asylbewerberleistungsgesetz einzelne Gesundheitsleistungen „zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände“ in Anspruch genommen werden, jedoch ist eine umfassende gesundheitliche Versorgung rechtlich gar nicht vorgesehen.
Mit dem Inkrafttreten des sog. Geordnete-Rückkehrer-Gesetzes am 21. August dieses Jahres ist dieser Zeitraum von 15 Monate auf sogar 18 Monate verlängert worden. Die Situation für hilfesuchende Geflüchtete hat sich also weiter verschlechtert.
Das EU-Recht legt fest, dass psychisch kranke oder traumatisierte Personen auch im eigentlichen Asylverfahren einen Anspruch auf eine angemessene Unterstützung haben. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat zum Umgang mit Hilfebedürftigen klare Bestimmungen: Gibt es bei Asylsuchenden Hinweise auf eine Traumatisierung, muss ein*e Sonderbeauftragte*r eingeschaltet werden. Voraussetzung für die Umsetzung ist, dass die Bedürftigkeit eines Menschen von den Mitarbeiter*innen der zuständigen Behörden auch erkannt wird. Leider zeigt die Praxis, dass Traumatisierungen und auch andere psychische Erkrankungen nicht unbedingt bemerkt werden. Ohne entsprechendes Fachwissen ist es sehr schwierig, die verschiedenen Symptome zu identifizieren. Ob diese registriert werden und dann notwendige Behandlungsschritte eingeleitet werden, ist für Ungeschulte fast Glückssache. Hinweise auf Überleben von Folter, Vergewaltigung, Menschenhandel und andere Gewalterfahrungen können nur dafür geschulte Menschen verlässlich erkennen. Hier müssen dringend Initiativen ergriffen werden, Mitarbeiter*innen speziell zu schulen bzw. entsprechend ausgebildete Fachkräfte hinzuzuziehen.

Erschwerung der Krankheitsnachweise für traumatisierte Geflüchtete

Neben der weiteren Herabstufung der Gesundheitsversorgung von Geflüchteten führt das Geordnete-Rückkehr-Gesetz auch eine neue Regelung im Zusammenhang mit Abschiebeentscheidungen ein.
So kann eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung ein Abschiebeverbot begründen, wenn sich der Gesundheitszustand nach Abschiebung voraussichtlich erheblich verschlechtern würde. Dies gilt auch für psychische Erkrankungen. Geflüchtete sind jedoch verpflichtet, Nachweise über ihre Erkrankungen vorzulegen.
Bislang war nicht explizit definiert, unter welchen Bedingungen ein Nachweis berücksichtigt wird. Das BAMF hatte die letzten Jahre (aufgrund einer Einzelfall-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts) Stellungnahmen von Psychotherapeut*innen zunehmend weniger beachtet. Diese Praxis hat sich nun leider in einer Gesetzesänderung manifestiert: Krankheitsbedingte Abschiebungsverbote müssen durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft gemacht werden. Das bedeutet, Einschätzungen von Psychotherapeutinnen werden bei der Beurteilung eines Abschiebeverbots jetzt nicht mehr berücksichtigt, obwohl genau diese Berufsgruppe zur Feststellung und Behandlung von Traumafolgestörungen durch ihre Ausbildung qualifiziert und spezialisiert wäre.
Als Folge dieser Regelung werden vermehrt schwerwiegende Erkrankungen im Verfahren jetzt ausgeklammert, auch wegen angeblich formeller und inhaltlicher Mängel der Nachweise. Eine Abschiebung kann nun angeordnet werden, auch wenn psychologische Gutachten von schwerwiegenden Folgen für die traumatisierten Geflüchteten ausgehen.

Fehlende Finanzierung von Dolmetscher*innen

Menschen mit einem gültigen Aufenthaltstitel haben im Vergleich zu Asylbewerber*innen mehr Rechte. Zum Beispiel haben sie Anspruch auf Versorgungsleistungen der gesetzlichen Krankenkassen. Der Zugang zu bedarfsgerechter psychosozialer und psychotherapeutischer Versorgung erweist sich für Schutzsuchende allerdings wieder enorm schwierig: Es gibt nur wenige freie Therapieplätze, und vor allem mangelt es an der Finanzierung von qualifizierter Sprachmittlung. Daraus resultieren wiederum so viele Probleme, dass es viele traumatisierte Menschen nicht schaffen, bei niedergelassenen Psychotherapeut*innen oder Ärzt*innen die benötigte Hilfe zu finden. Mitunter wird durch die Hindernisse sogar eine umfassende Diagnose unmöglich gemacht. Dolmetscher*innen müssen speziell für das Psychosoziale Setting geschult sein. Alleine das Fehlen von qualifizierten Übersetzer*innen behindert also schon die Behandlung von Erkrankungen. Um diesen Missstand zumindest teilweise aufzufangen, bezahlen die psychosozialen Zentren die Sprachmittler*innen aus Spendengeldern oder über Projektfinanzierung.

 

BILD VON Thor Deichmann AUF Pixabay 

Fazit und Forderung

Der Zugang zur gesundheitlichen Versorgung wird leider abhängig vom aufenthaltsrechtlichen Status – also bürgerrechtlich – verwaltet. Dem gegenüber stehen internationale Bestimmungen der UN und der EU, gesundheitliche Versorgung nach menschenrechtlichen Maßstäben zu bewerten.
Unser vorrangiges Ziel ist es, Geflüchteten und Überlebenden von Folter die gesundheitliche Behandlung zu ermöglichen, die sie brauchen. Dazu müssen wir Probleme der Gesundheitsversorgung identifizieren und die Missstände an die jeweils Verantwortlichen in der Politik adressieren. Die Einschränkung der Menschenrechte, wie wir sie in der gesundheitlichen Versorgung von Geflüchteten sehen, ist, selbst wenn diese nur aufgrund von bürokratischen Hindernissen erfolgt, mit der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren. Sachzwänge dürfen nicht zu systematischer und struktureller Diskriminierung derjenigen Gruppen führen, die Hilfe am dringendsten benötigen.

Wir fordern, das Menschenrecht auf Gesundheit für Geflüchtete uneingeschränkt umzusetzen!

Konkret setzen wir uns ein für:

  • Versorgungsleistungen im Asylbewerberleistungsgesetz für traumatisierte Flüchtlinge müssen erweitert werden, so dass diese sofort therapeutisch behandelt werden können.
  • Übernahme von Sprachmittlungskosten soll Teil der Versorgungsleistung nach Asylbewerberleistungsgesetz werden, bzw. in das Leistungsportfolio der Krankenkassen aufgenommen werden.
  • Behandlungsressourcen müssen strukturell ausgebaut werden, so dass Wartezeiten für Therapieplätze reduziert werden und genügend Beratungsstellen angeboten werden können.

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