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Gbati

Es ist sehr, sehr kompliziert, wenn du eine Person bist, die Asyl sucht.

Gbati aus Togo

Gbati kommt aus Togo und lebt seit ungefähr 16 Monaten in einer deutschen Kleinstadt. Er berichtet von Niedergeschlagenheit sowie von typischen Symptomen einer Posttraumatischen Belastungsstörung. 

„Ich denke, ich bin tot. Im Moment ist es sehr kompliziert für mich. Ich bin verwirrt, ich bin gestresst, ich habe jeden Tag Albträume über meine Vergangenheit, über meine Situation auf der Flucht.“

Um psychotherapeutische Unterstützung zu bekommen, beantragt Gbati einen Krankenschein beim zuständigen Sozialamt. Daraufhin wird ihm ein Psychiater zugeteilt. Nur spricht der Psychiater weder Gbatis Muttersprache, noch sind Sprachmittler*innen verfügbar. Daraufhin wendet er sich auf Empfehlung eines Freundes direkt an eine Psychotherapeutin eines Psychosozialen Zentrums, die seine Muttersprache spricht. 

„Ich habe keinen guten Kontakt mit dem Psychiater davor. Er versteht meine Probleme nicht, weil er meine Muttersprache nicht versteht, sondern nur deutsch. Ich sage dem Amt, es gibt eine Psychologin in einer nahegelegenen Großstadt, die meine Sprache spricht. Aber, die sagen mir: Nein, du darfst nur einen Psychiater hier haben.“

Obwohl ein Psychotherapieplatz in einem Zentrum zur Verfügung steht, wird die Finanzierung der Therapie durch das Sozialamt wiederholt abgelehnt. Sechs Monate lang geht er immer wieder zum Sozialamt und bittet um den für die Psychotherapie notwendigen Krankenschein. Die Wartezeit aufgrund der bürokratischen Hürden stellt zusätzlich eine so hohe psychische Belastung für Gbati dar, dass er schließlich jeglichen Lebensmut verliert. 

„Sechs Monate. Jeden Tag bin ich ins Sozialamt. Entschuldigung, ist die Psychotherapie genehmigt? Jeden Tag ist die Antwort negativ. Jeden Tag. Nur, weil die Therapeutin, die meine Sprache versteht, in einer anderen Stadt ist. Ich werde aggressiv, ich bin angespannt.“

 

Image by StockSnap from Pixabay 

Angesichts der Einschränkungen bei der Wahl von Psychotherapeut*innen, die entscheidend für den Therapieerfolg sein kann, und dem damit verknüpften bürokratischen Aufwand sieht sich Gbati benachteiligt.

„Ich kann nicht entscheiden, ob ich eine bestimmte Psychiaterin sehen möchte. Aber für Deutsche ist das anders. Es ist deren Entscheidung, ob sie einen Arzt und welchen Psychiater sie besuchen. Aber es ist sehr, sehr kompliziert, wenn du eine Person bist, die Asyl sucht. Der Mann aus dem Sozialamt sagt mir, warte, warte, warte.“

Mit Unterstützung seiner jetzigen Psychotherapeutin wird Gbati nach sechs Monaten Wartezeit endlich die Psychotherapie bewilligt. Dort lernt er mit dem Erlebten besser umzugehen und ist wieder in der Lage, soziale Kontakte zu knüpfen, was wiederum zu einer Stabilisierung seiner psychischen Verfassung beiträgt.

„Wir sprechen sehr viel. Sie gibt mir Übungen für meine Situation. Es gefällt mir gut, zu sprechen. Manchmal bin ich verwirrt, ich habe noch viel Stress mit Albträumen. Jetzt wird die Situation aber besser für mich. Ich höre auch wieder Musik oder gehe spazieren und ich habe Kontakt zu Menschen. Vorher hatte ich keine Freunde, weil ich sehr gestresst und sehr aggressiv war. Ich wollte vorher nicht über meine Probleme sprechen. Jetzt bin ich ein bisschen entspannter.“

Leider ist dieser Teilerfolg nur von kurzer Dauer. Gbati wird ein Krankenschein verwehrt, der für die Weiterfinanzierung der Psychotherapie notwendig ist, da seine Therapie nach Regelkontingent als beendet gilt. Nur durch die substituierenden Leistungen eines Psychosozialen Zentrums kann er die nach wie vor benötigte Psychotherapie fortführen. Seine Lebensrealität in Deutschland wird auch weiter von eingeschränkter Wahlfreiheit und Ablehnungserfahrungen geprägt.

„Meine Zukunftsperspektive ist gerade aussichtslos. Ich muss mit völlig fremden Menschen in einem Container wohnen. Sechs Personen in einem Zimmer. Ich möchte manchmal alleine sein. Die Personen haben andere Kulturen. Das ist sehr kompliziert für mich. Ich möchte eine Ausbildung machen, aber ich darf nicht. Ich möchte einen B1-Deutschkurs machen, aber ich darf nicht. Ich möchte für die Zukunft ein gutes Programm, aber ich habe kein Programm.“

Die diskriminierenden strukturellen Rahmenbedingungen, die Gbati beschreibt, wirken sich negativ auf seine psychische Verfassung aus. Er tut sich schwer, soziale Kontakte in Deutschland zu knüpfen.

„Ich spreche nicht so viel mit den Personen aus meinem Land, weil ich viele Probleme dort habe. Vor der Psychotherapie dachte ich nicht, dass ich einen Freund oder eine Freundin suche. Für mich hat das gar nicht in meinen Kopf gepasst. Jetzt denke ich, es ist besser für mich, weil ich viel sprechen kann. Und wenn ich eine Person habe, mit der ich viel spreche, denke ich nicht an meine Probleme. In dem Moment geht es mir gut.“

Dank der therapeutischen Leistungen des Psychosozialen Zentrums ist Gbati wieder in der Lage, Freunde zu treffen, anderen Personen zu vertrauen und seine schlimme Vergangenheit zumindest zeitweise zu vergessen. Ob und wann er allerdings aus der Containerunterkunft ausziehen kann, an einem Deutschkurs teilnehmen oder gar eine Ausbildung machen darf, weiß Gbati nach wie vor nicht.

Über psychotherapeutische Behandlung von Geflüchteten

Geflüchtete, die Menschenrechtsverletzungen wie Folter oder andere Formen schwerer physischer, psychischer oder sexueller Gewalt überlebt haben, wurden in besonderem Maße in ihrem Recht auf Gesundheit verletzt. Diesen Menschen sollte medizinische und psychologische ebenso wie rechtliche und soziale Leistungen gewährt werden, um ihnen eine bestmögliche Rehabilitation zu ermöglichen.

Nicht alle Personen, die Traumatisches erlebt haben oder starken Belastungen ausgesetzt sind, benötigen jedoch zwingend auch eine Psychotherapie. Bei Unterstützung und Stabilität in dem eigenen sozialen, kulturellen oder religiösen Kontext vollziehen sich Heilungsprozesse bei einigen Menschen auch ohne professionelle Hilfe. Andere benötigen hingegen fachliche Unterstützung in Form von psychosozialer Hilfe oder psychotherapeutischer bzw. psychiatrischer Behandlung. Eine Therapie sollte der geflüchteten Person erlauben, so weit wie möglich selbst über den Verlauf und Art der Behandlung zu entscheiden, um Erfahrungen der Fremdbestimmung und Ohnmacht nicht zu wiederholen.

Die Psychosozialen Zentren sind häufig die einzigen Anlaufstellen, die Menschen wie Gbati auffangen können. Mit einer Spende hilfst du mit, diese Unterstützung auch zukünftig anbieten zu können!

 

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